#33: Genrekino aus Deutschland

„Deutschland muss sterben, damit wir leben können,“ ist von Slime und schmeckt nach Bier, könnte aber auch genauso gut vom Verband Deutscher Genrefilmer kommen, wenn es ihn denn gäbe. Dabei hat das europäische Genrekino durchaus eine ruhmreiche Tradition – klar, Italien und Frankreich, aber eben auch Deutschland, und sei es nur in Form europäischer Co-Produktionen. Filme wie ZINKSÄRGE FÜR DIE GOLDJUNGEN oder BLUTIGER FREITAG sind jedenfalls ein eindrucksvoller Beweis, es ging auch mal anders. Heute hingegen, Komödien, die tragenden Säulen vieler nationaler Filmwirtschaften, von Industrie mag man kaum reden. Und man wundert sich, ob man lachen oder weinen soll.

Deutsches Genre 2012, ein Lichtspielhaus am Ende des Tunnels? Bernd, Ben und Kay auf Heimaturlaub und doch mitten an der Front. Und dennoch Licht auf der Leinwand, IM SCHATTEN, Berliner Schule trifft VIER IM ROTEN KREIS und macht es rund. Richtig rund. DER RÄUBER und der Beweis, Sport ist Mord. Urbaner und postapokalyptischer Horror, RAMMBOCK: BERLIN UNDEAD und höllisch in HELL. Und thronend über allem Dominik Grafs Serienmeisterwerk IM ANGESICHT DES VERBRECHENS. Letztes Jahr gefolgt von dem tollen Versuch DREILEBEN. „Made in Germany“, 2012 ein Qualitätssiegel? Mindestens wenn es um Podcast geht, und der dann auch noch Flimmerfreunde heißt. Da können sich alle anderen direkt mal ficken gehen.

#32: Drive

Auf der Strasse tobt der Regen, in seinem Wagen die Musik, er fährt noch einmal durch die Gegend, in der sein Herz begraben liegt.“ Ein Auto, ein Lied und die Nacht. In Kombination, manchmal der einzige, größte Trost, den das Leben zu bieten hat. Zwar regnet es nie in Südkalifornien und daher auch nicht in Nicolas Winding Refns Film DRIVE, aber das Empfinden scheint gleich. Ob im grandiosen Sountrack mit Italiens Do it Better Inkarnationen und Cliff Martinez oder der herausragend guten Fotografie von Newton Thomas Sigel, der Film stellt seine Geschmackssicherheit und Coolness aus. Von der Skorpion Jacke, zum Auto des Drivers, funktioniert der Film auch als Referenz. Kenneth Anger, klar und 1967: POINT BLANK, BRANDED TO KILL, C`ERA UNA VOLTA IL WEST und allen voran Melvilles LE SAMOURAI. Ryan Goslings Charakter mit den Steve McQueen Manierismen erscheint bisweilen wie ein Amalgat dieser Filme. Trotzdem oder gerade deshalbt, erscheint DRIVE ein eigenständiger, wundervoller Film. Vielleicht der beste des letzten Jahres.

DRIVE ANGRY, eine Filmgewordene Allmachtsphantasie mit Autos, Frauen und Gewalt und Zerstörung, eine Menge davon. Film gesehen, Spass gehabt. DRIVE ANGRY ist B-Kino der 70er mit den Mitteln eines Hollywood A-Films und in 3D. DRIVE ANGRY und Ruggero Deodatos SHOOT FIRST, DIE LATER = das perfekte Double Feature. Weniger Spass bereitet das Sterben in SENNA, einem Dokumentarfilm über das Leben des tragisch verunglückten Formel 1 Piloten. Das Drama der Person Senna und das Drama des Rennsports aus unmittelbarer Nähe. Aus einer Zeit vor der Mixed Zone, als aller Schmutz und alle Emotionen sich direkt vor den Augen und Optiken der Kamerateams zugetragen haben. Man mag kaum glauben, was man sieht. Dritte, unbedingte Empfehlung. Bleibt die Frage: Haben wir es noch in uns und falls ja, wieviel und wenn es noch drin steckt, ist es dann Krebs? Oreo-Replikate und Cola Zero, genau was der Doktor verschrieben hat. Text beginnt mit Zitat, Text endet mit Zitat, beinah: „Put your hands on the wheel. Let the golden age begin. The window down, feel the moonlight on your skin. Let the desert wind cool your aching head, let the weight of the world drift away instead.“ Paßt auf Euch auf.

#31: Sommer der Superhelden

Hoffnung für all diejenigen, in deren Köpfen „nuklearer Erstschlag“ und „mein Nachbar“ häufig im selben Satz auftauchen. Okay, vielleicht auch nur eine Feuerpause für 50 Minuten, Friedenspfeife rauchen mit Bernd, Ben und Kay. Sommer 2011? Erinnert sich noch jemand?

Gruppensex am Baggersee, Heroin im Supermarkt und Wahlrecht für Hunde. Ein goldenes Zeitalter. Auch, so meinen manche, für den Superhelden-Film. Die fantastischen Drei bekennen sich zu ihrem Elastan Fetisch und blicken zurück auf THOR, CAPTAIN AMERICA, GREEN LANTERN, X-MEN: ERSTE ENTSCHEIDUNG und den tollen THE GREEN HORNET. Bei Blockbustern gerne an der Grenze zur Dummheit, scheinen die Studios bemüht, bei den Superhelden-Verfilmungen ein paar smarty Regisseure auf den Stuhl zu setzen. Vielleicht, weil das Genre den Siegeszug der Freaks, Geeks und Nerds durch den Mainstream darstellt. Ob das über freundliche Begeisterung auf Comic Conventions hinaus Wirkung zeigt, davon berichten die Flimmerfreunde in ihrem Rückblick auf den SOMMER DER SUPERHELDEN 2011. Die Adrenalinampulle zur Stulle: die Tick, Trick und Track der Podcastwelt tischen auf. Filmverstehen für Geniesser. Nächstes Jahr dann das große Spezial zu THE AVENGERS. Flimmerfreunde – nicht am, sondern der Puls der Zeit.

#30: Wettrennen zum Südpol

„Just one more drink and then I should be on my way home. I’m not entirely sure what you’re talking about. I’ve had a really nice time but my dogs need to be fed“ Weakerthans, alles richtig gemacht. Und während man in Westeros noch auf den Winter wartet, ist er in der Antarktis schon angekommen.

Die Möglichkeit wird zur Notwendigkeit, die Kamera muss festhalten, sonst bleibt die Kasse leer. Und die läßt sich machen. Die Halbwertszeit der Bilder scheint ungleich länger, auch weil die Reichweite zunächst deutlich kürzer ist. So steht am Ende jeder Reise stets das Kino, im Schnitt zehn Jahre später. Die Rede ist von den drei filmischen Expeditionstagebüchern, SOUTH (SHACKLETONS TODESFAHRT ZUM SÜDPOL), ROALD AMUNDSENS SÜDPOL FILME in der Edition des NFI und ganz wesentlich, THE GREAT WHITE SILENCE von 1924, die Tragödie der Scott Expedition.
Letzterer Film, endlich (2011) vom BFI in viragierter und fabelhaft restaurierter Version auf Blu-ray verlegt, ist magisch. Magisch deshalb, weil in einem Zeitalter, in dem jedes Bild unweigerlich eine Redundanz beinhaltet, hier ein erstes Mal dokumentiert wird. Magisch auch, weil in Pontings geschmackssicherer Fotografie dem viragierten Material und den Graustufen des Schwarz-Weiss eine Märchenwelt entsteht, die mehr Traum als Realität scheint. Von ihrer Realität zeugen die Toten dieser Reisen. Oldschool schlägt Newschool, meint Amundsen Scott und wie dessen vermeintlich fortschrittlichere Maschinen versagt haben, schlägt auch THE GREAT WHITE SILENCE 100 Jahre später jeden 4K 3D Film. Es ist das Beste, was Ihr schauen könnt.
Zum Abschluss unternehmen Bernd, Ben und Kay dann noch einen Abstecher zum Nordpol, im U-Boot und besuchen NANOOK OF THE NORTH. Der Film, der den Polarboom ausgelöst hat, und bis heute unsere Idee vom Eskimo zeigt bzw. begründet. Flaherty hat dabei nie einen Hehl daraus gemacht, dass es Ihm nicht um das Abbilden von Realität, sondern eine gute Geschichte geht. Sozusagen Spielfilm mit den Mitteln eines Dokumentarfilms. Eis im Park und Eis im Player, Sommer gerettet. Und allen, die bei soviel Eiseskälte frieren, sei gesagt: da wo die Nacht am einsamsten ist, unter dem Neon-Himmel der Nachttankstelle, die Bierflasche umarmend, dort sind wir bei Euch, in Eurem Ohr mit der Wärme der drei Herzen. Willkommen zurück Freund, Du hast uns gefehlt.

#29: Harry Potter

Verlassen worden zu sein, ist ein Schuh, der auch dann drückt, wenn man schon lange nicht mehr allein ist. Wer es nicht glauben mag, Jennifer Aniston + Brad Pitt Google-Suche oder eben Harry Potter lesen, denn verwaist bleibt länger als der Sommer, der ja eh immer nur dann richtig kommt, wenn Hitler in den sechs Monaten zuvor mindestens zwei Spiegelcover bekommen hat.

Korreliert, aber ohne kausalen Zusammenhang. Hingegen klarer Zusammenhang: Volle Kassen bei Warner Brothers, einer ehemaligen Lehrerin, sowie Lego und der Kinostart eines neuen Harry Potter Films. Die globale Universal-Mythenmaschine macht Kasse und zwar mehr als irgendeine andere Filmreihe in diesem Jahrtausend, und möchte man der BBC glauben, auch im letzten. Harry Potter, das ist die Coca Cola der Filmwelt, plus Tony Blair, erste Legislaturperiode. Und das ist wirklich sehr ansehnlich, finden die Flimmerfreunde, Bernd, Ben und Kay und bringen in einem einstündigen Verbal-Ausdruckstanz mal wieder mehr oder weniger auf den Punkt als der ganze Rest der deutschsprachigen Podcastwelt. Um es mit Groucho Marx zu sagen, außerhalb des Hundes, ist das Buch der beste Freund des Menschen, innerhalb des Hundes ist es zu dunkel zum Lesen.